Jetzt waren wir Gefreite! Nicht mehr die Kleinen, keine "Menschen-Anwärter" mehr.
Wir hatten die erste Zerreißprobe bestanden.
Jetzt ging es ans Eingemachte: die Spezialgrundausbildung!
Ich sollte Panzergrenadier-Richtschütze auf dem Marder 1A3 werden.
Die Ausbildung fand größtenteils bei uns in der Kaserne, im T-Bereich (technischen Bereich) statt.
Nun sahen wir das erste mal einen Panzer, welcher später zu unserem zweiten zu Hause werden sollte, aus unmittelbarer Nähe. Ziemlich beängstigend, dunkel, eng und zu 98% aus Stahl bestehend. Im großen und ganzen also recht kuschelig. Es kursierten die wildesten Gerüchte! Einmal drinnen geht es nicht so schnell wieder nach draußen. Im Sommer sollen im inneren des "Bocks" Temperaturen um die 70° C herrschen (was ich so definitiv bestätigen kann), man wird während den ersten Geländefahrten auf jeden Fall "Seekrank", wer kotzen muss, tut das in seinen Helm, nicht in den Marder. Knochenbrüche, Sauerstoffmangel, in seine Feldflasche pinkeln und und und. Von niemandem wurden die Gerüchte entkräftet, also musste ich mich aufs Schlimmste gefasst machen. Das erste mal ins Gelände sollte es jedoch erst in zwei Monaten gehen, bis dahin blieben also Angst und Unwohlsein meine unterschwelligen Begleiter.
Man gewöhnte sich schnell an die luxuriösen Arbeitszeiten die von nun an den Tagesablauf strukturierten.
Montag bis Donnerstag:
6:00 aufstehen (wer frühstücken wollte, musste sich zu 5:00 den Wecker stellen)
6:30 Zugantreten
7:15 Kompanieantreten
7:30 Abmarsch in den T-Bereich
9:15 - 10:00 Nato-Pause (dazu gingen ausgewählte Soldaten ins Mannschaftsheim, besorgten belegte Brötchen, Zeitungen, Kaffee, Schokoriegel und so weiter)
11.45 Mittagpause
13:00 Mittagsantreten (13:05 Abmarsch in den T-Bereich)
15:30 Panzerhalle aufräumen
16:00 Rückmarsch in den Kompanieblock, anschließend Stuben & Revier-Reinigung
16:30 Antreten zum Dienstschluss
Waffenanlage SPz Marder, Bordmaschinenkanone 20 mm
Der Panzerturm (zu Ausbildungszwecken aus dem Marder rausgehoben)
Das war beinahe ein angenehm geregelter Tagesablauf.
Uns wurde ans Herz gelegt in unserer Freizeit Sport zu machen. Wir seien erwachsen und allesamt Zeitsoldaten, man würde sich also auf uns verlassen. Sollten unsere Vorgesetzten feststellen das wir konditionell abbauten, würde sich der tägliche Dienst um 2 Stunden verlängern, die dann zum Dienstsport unter Aufsicht genutzt werden würden. Mal klappte das und mal nicht. (Spätestens beim jährlich abzulegenden Deutschen Sportabzeichen würde man uns entlarven)
Unsere frisch gewonnene Freizeit verbrachten wir lieber mit Bier trinken und "alte Kriegsgeschichten" teilen, abends im Mannschaftsheim. Ja richtig, keine Smartphones, wir haben noch echte Konversation betrieben, Karten gespielt und solch lustige Dinge. Gratulation an diejenigen die das noch kennen.
Bis zum Ende der speziellen Grundausbildung war Alkohol trinken auf den Stuben verboten. Was uns selbstverständlich nicht daran hinderte, hin und wieder vor dem Schlafen ein gemeinsames Schnäpps'chen aus dem, im Rucksack versteckten Fläsch'chen zu trinken.
Mannschaftsheim Natopause
Freitags war immer der wohl schönste Tag. Natürlich nur, wenn man am Wochenende keinen Dienst (UvD/GvD oder Wache) in der HiBuKa (Hindenburg-Kaserne) schieben musste.
6:00 aufstehen
danach Wochenendreinigung der Stuben und Reviere in Eigenregie bis 9:45
9:45 - 10:15 Stuben und Revier-Abnahme
10:30 Abschlussantreten mit Wochenendbelehrung, (Fenster schließen, keine Scheiße am Wochenende bauen, Hände weg von Drogen, vorsichtig fahren etc.) danach Dienstschluss.
Die Wochenenden die ich im heimatlichen, über 400 km entfernten Berlin genießen durfte, waren meistens geprägt von intimen Stunden mit meiner Freundin, Eltern besuchen, die Familie auf den neuesten Stand der Dinge bringen und Wäsche waschen.
In der Zeit habe ich das Feiern gehen, was ich bis zum Beginn meiner Bundeswehrzeit sehr intensiv gelebt habe, ganz hinten angestellt. Dementsprechend kristallisierte sich zu Hause heraus wer wahrer Freund und wer nur "Sauf-Kumpel" war. Natürliche Auslese... Gut das es so gekommen ist!
Sonntag nachmittag hieß es dann wieder Tasche packen und gegen 19:30 fuhr mein Zug Richtung Munster (Örtze) ab. Zwei mal umsteigen; Stendal und Uelzen. In Uelzen dann immer 1 1/2 Stunden Aufenthalt. Die Zeit brachten wir aber in der Bahnhofsbar immer ganz gut rum. 23:00 uhr, in Munster angekommen hieß es vom Bahnhof mit dem Taxi zur Kaserne. 2,50 € für jeden, also machbar. Zwischenstopp an der Shell-Tankstelle Danziger- / Ecke Karl-Schenk-Strasse. 4 Mann, 4 Sechserträger Bier. Standen Kameraden aus unserer Kompanie am Tor Wache, konnten wir mit dem Taxi bis zum Kompanie-Block fahren, wenn nicht, dann hieß es laufen.
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