...Ein langer Pfiff unterbrach unsere Nachtruhe abrupt, die Stubentür flog auf und krachte mit einem ohrenbetäubenden Lärm gegen den Blechmülleimer. Die vier grell leuchtenden Neonröhren an der Decke, unterstützten den
Weckvorgang mit Nachdruck. Frisch und munter, wie man nach knapp drei Stunden Schlaf halt so drauf ist, versuchten die
uniformierten Fremden uns zu erklären wie sich der kommende Tagesanbruch so gestalten würde.
"So Männer, waschen, Zähne putzen, rasieren, anziehen und in 10 Minuten wird 2 x gepfiffen, dann treten Alle auf dem Flur an! Noch Fragen?" Hm... Fragen gab es jede Menge, aber der Bedarf, sie um halb Fünf Uhr morgens zu klären, hielt sich vermutlich bei Allen Beteiligten in Grenzen.
Ich schnappte mir mein Waschzeug und ging in den großen Gemeinschaftswaschraum. Auch dort herrschte ein eher zurückhaltendes Ambiente. Sechs große Edelstahlwaschbecken in der Mitte des Raumes, zwei gegenüberliegende Spiegelreihen an den Wänden sowie eine lange Bank an einer Wand mussten reichen um die morgendliche Prozedur zu begehen.
Hübsch gemacht für den kommenden Tag, brauchten wir nicht allzulange auf die angekündigten Pfiffe warten.
Die Türen gingen auf und die ca. sechzig Soldaten die dem II. Zug angehörten kamen auf den Flur.
"SO MÄNNER, in zwei Reihen antreten."
Wir versuchten uns zu sortieren...
Als wir es geschafft hatten, trat der uniformierte Herr vor uns und lies ein ohrenbetäubendes:
"GUTEN MORGEN ZWOTER ZUG" erklingen...
Die Masse raunte vergleichsweise leise: "Guten morgen"
"Ich bin Unteroffizier [Name], eins könnt Ihr Euch gleich merken, wenn ich Euch mit einem
GUTEN MORGEN ZWOTER ZUG begrüße,
möchte ich ein kräftiges, GUTEN MORGEN HERR UNTEROFFIZIER hören, Verstanden?"
Die üblichen Antworten ließen nicht lange auf sich warten: "Ja, Jo. OK", etc...!
"Männer, das heißt Jawohl Herr Unteroffizier, verstanden?"
"Jawohl Herr Unteroffizier"
... Bla Bla...den Rest könnt Ihr Euch sicher denken!^^ Wir waren also an dem Punkt angelangt, an dem man um 4.45 uhr,
Guten morgen sagen übt. 1 A... das konnte ja noch lustig werden.
"Jetzt zeige ich euch die Truppenküche, dort werden wir verpflegen, danach verlegen wir hierher zurück und es werden die Stuben und Reviere gereinigt. Dazu, reeeeechts'um, ohne Tritt, vor dem Gebäude, in Marschformation, Blickrichtung Telefonzelle antreten, Marsch!"
O mein Gott, was für ein Kaudawelsch, dachte ich.
Ohne Tritt... Marschformation... Reviere reinigen...?
Die Sprache und die Begriffe gehen einem nachher in Fleisch und Blut über, aber erstmal denkt man auf einem völlig anderen Planeten gelandet zu sein.
Nach sage und schreibe zehn Minuten, 100 facher Erklärung was eine Marschformation ist, standen wir dann endlich der Größe nach sortiert, in drei Reihen nebeneinander, Blickrichtung Telefonzelle abmarschbereit.
Und so liefen wir einmal quer durch die Kaserne zur Truppenküche.
In der selbigen herrscht übrigens Ruhe, keiner hat zu reden und angefangen zu Essen wird erst, wenn auch der Letzte mit seinem Tablett am Tisch ist. Nach nicht mal fünf Minuten, schallte es in der riesigen
Uniform-Kantine: "Männer, fertig werden, in einer Minute stehen alle draußen in Marschformation, Blickrichtung
Block 3 angetreten". Boa was, ich hatte gerade mal ein halbes Brötchen gegessen. Unglaublich aber war, wer einmal beim Bund gewesen ist, der kann sich seine Zeit Minutengenau einteilen.
Zurück im Block 52, der Unterkunft des II. Zuges wurden die Reviere zugeteilt. Stube 25 bekam: vorderes und hinteres Treppenhaus, fegen, wischen, und das Geländer reinigen.
Das Ganze selbstverständlich unter Aufsicht eines Uniformträgers. Wir sollten unsere Dienstkleidung, im Laufe des Tages, ja erst noch bekommen. Um 6.30 war dann wieder Zugantreten, also das übliche Prozedere. 2 x pfeifen, und so schnell wie möglich auf dem Flur, in zwei Reihen hintereinander antreten. Dann wurden nämlich die Reviere und Stuben abgenommen (auf Sauberkeit überprüft). Um 6.45 erneute zwei Pfiffe...jetzt wurde das
Nacharbeiten der Stuben und Reviere abgenommen. So ca. 7.00, Ihr ahnt es sicherlich...richtig 2x pfeifen, damit verbunden, Begrüßung und Vorstellung unseres Zugführers und stellvertretenden Zugführers.
Unser Zugführer war ein dicklicher Hauptfeldwebel Anfang 50, trug eine Brille und wirkte anfänglich wie ein Psychopath. Er hatte einen total irren Blick und sprach, wie beim Bund wohl üblich, nicht gerade leise.
Unser
Stellv Zugführer
hingegen war ein sportlicher mittelgroßer Oberfeldwebel, Mitte 30. Nicht auf den Mund gefallen und allem Anschein nach mit mehr Haaren auf den Zähnen, als ich auf dem Kopf.
Sie erklärten uns den Ablauf des kommenden Tages. Das wir unsere Dienstkleidung empfangen sollten, zur Zahnarztgruppe müssten, um unseren Zahnstatus feststellen zu lassen, und und und!
Das anstehende Programm hätte drei Tage füllen können, aber irgendwie haben wir es doch hinbekommen.
Erster Auftag, zur
StOV (Standortverwaltung), dort Empfang der Dienstkleidung. Wir wurden auf die bekannten 2-Tonner
(Unimog, 2 Tonnen, Ladefläche mit Holzbänken und Plane hinten) verfrachtet und fuhren los. Bei der StOV verbrachten wir viel Zeit mit warten. Weil auch die Bundeswehr ihre
Behinderten-Quote erfüllen muss (was völlig in Ordnung ist), ist es am Besten, solche Leute in der Standortverwaltung bei der Wäscheausgabe zu beschäftigen. Was das Entgegennehmen unsere Uniformen, Gefechtsausrüstung, Stiefel, etc. nicht unbedingt einfacher macht. Denn die Bundeswehr hat Ihr eigenes Größensystem, was Kleidung anbelangt. So sind z.B. Stiefel der Größe 44, beim Bund eine Größe 280 und
eine
Feldbluse (das Bundeswehr"Arbeitshemd") eine Größe 6, was in etwa einer Größe 48/50 (M) im Zivilleben entspricht. Nun musste ja jeder erstmal Alles anprobieren und so weiter und sofort.
Voll bepackt mit tollen Sachen, die das Leben leichter machen, fuhren wir zurück in die Kaserne.
2 x pfeifen...antreten...usw. Nun wurde uns gesagt wie man den Spind einzuräumen hat. Dazu bekam jede Stube ein Foto von einem aufgeräumten Schrank und wir sollten unsere Spinde nach dem Muster bestücken.
Einmal Sportbekleidung, durften wir gleich anziehen. Von nun an sahen Alle irgendwie gleich aus und hatten auch das letzte Stück des
Zivil sein's abgelegt.
Nach großer Uniformanprobe im Stubenrahmen und der
Einräum-Aktion "Spind" stand für den Nachmittag der von mir heiß ersehnte Zahnarztbesuch auf dem Programm. Dazu übten wir das Marschieren, denn die Zahnarzt-Gruppe (ZGrpStM) lag außerhalb unseres Geländes in einer anderen Kaserne.
Bei -10 C, mit dünnen Sportanzug-BW bekleidet, standen wir dann, ungelogen 2 Stunden vor der Zahnarzt-Zentrale in der Kälte und haben uns den Arsch abgefroren. Die zwei Stunden in der Kälte waren wohl das Schlimmste an diesem Tag.
Am nächsten morgen (4.30 Uhr) ging das Übliche wieder los, nur jetzt, das erste Mal in der typischen Flecktarn-Uniform. Nach der morgendlichen Waschung, kam das Beste. Ihr wisst, 2 x pfeifen, antreten etc., aber jetzt eine Stufe komplizierter.
Dieses mal kamen die Kommandos von einem anderen Uniformträger (Zug-Tagesdienst heißt es, wie ich später herausfand). "Zwoter Zug, AAAACHTUNG!" *Hö, wasn los, Achtung?! Was geht'n jetzt?*
"Grenadiere! (so werden die Soldaten in der Grundausbildung genannt, die noch keinen Dienstgrad haben, je nach Truppengattung) Achtung heißt Hacken zusammen, Brust raus, Arschbacken zusammenkneifen, die Hände sind lang am Körper, Mittelfinger Hosennaht und der Blick ist frei geradeaus! Also, nochmal... Zwoter Zug AAAACHTUNG!" Ein schnelles rauschen erfüllte den Flur. Aber es funktionierte wohl wie geplant. Jedenfalls hatte der Zug-Tagesdienst nichts zu meckern. "Erstes Glied...zwei Schritt vortreten!" Es war nicht synchron, aber die vordere Reihe trat zwei Schritte nach vorn. Der Zug-Tagesdienst ging durch die Reihen und kontrollierte die Rasur und den Schuhputz der Soldaten. (Schuhputz-Kontrolle?!, Ihr erinnert Euch wir hatten die nagelneuen Stiefel erst gestern bekommen und heute zum ersten mal an den Füßen,aber ok, gut möglich das Sie auf Nummer Sicher gehen wollten ;))
Fortsetzung folgt...